Einleitung

Eines der heißen WLAN Themen derzeit ist 6 GHz oder auch „Wi-Fi 6E“ genannt. Leider beziehen sich die meisten Informationen, die aktuell im Netz und auf Veranstaltungen kursieren, auf die FCC und damit die USA. Zusammen mit Philipp Ebbecke haben wir den aktuellen Stand für Europa zusammengetragen.

Philipp vertritt die LANCOM Systems GmbH bei der Wi-Fi Alliance und nimmt an den europäischen Konferenzen zum Thema WLAN-Spektrum teil. Somit kann er die aktuellen Informationen aus 1. Hand liefern.

Der Beitrag wird in zwei Bereiche gegliedert. Wir fangen mit Hintergrundwissen zum Thema Spektrum an, gehen dann auf die möglichen Regelungen zu 6 GHz WLAN in Europa ein und enden mit einer Zusammenfassung. Für weniger technisch interessierte Leser empfehle ich direkt bei der Zusammenfassung anzufangen.

Neues Spektrum

Warum benötigen wir eigentlich neues Spektrum?

Wir haben doch schon zwei Frequenzbänder werden sich vermutlich einige denken.

WLAN erlebt seit Jahren ein großes Wachstum, doch das Spektrum, sprich die zur Verfügung stehenden Kanäle, wurden vor knapp 16 Jahren zum letzten Mal erweitert. Insbesondere in den letzten 10 Jahren hat WLAN, bedingt durch die steigende Verbreitung von rein drahtlosen Geräten wie Smartphones & Tablets, stetig mehr Services und Daten transportiert. Dieser gesteigerte Bedarf an Datenmengen lässt sich nur noch bedingt mit dem vorhandenen Spektrum befriedigen, insbesondere wenn in Zukunft mehr Latenz-kritische Anwendungen wie z.B. Virtual/Augmented Reality (VR/AR) schnell große Datenmengen verschicken und empfangen wollen. Somit sind wir heute an einem Punkt, in der das Spektrum die Kapazität und die Güte (Quality of Experience) stark limitiert.

Auf der anderen Seite gibt es ein politische Ziel, nämlich dass Europa in naher Zukunft eine „Gigabit-Gesellschaft“ wird. Im WLAN können wir den Durchsatz von 1 Gigabit/sec nur dann erreichen, wenn wir für einen Wi-Fi 6 Client (2-Streams/Antennen angenommen) mindestens 80 MHz breite Kanäle verwenden (s. u.). Insbesondere im Enterprise-Umfeld (Büros, Einkaufszentren, Stadien, Flughäfen, usw.) konfigurieren wir in vielen Fällen jedoch die niedrigsten Kanalbandbreiten (20/40 MHz) um die vorhandenen Kanäle häufig wiederverwenden können (Stichwort: Co-Channel Interference). Schauen wir uns dafür die maximal möglichen Bruttodatenraten(!) für Wi-Fi 6 mit 2 Streams/Antennen (derzeit üblich für WLAN-Clients) an:

  • 20 MHz -> 286,8 Mbps
  • 40 MHz -> 573,5 Mbps
  • 80 MHz -> 1.201,0 Mbps
  • 160 MHz -> 2.402,0 Mbps

Quelle: MCS Übersicht

Es wird somit deutlich, dass das Gigabit, welches per WAN-Anschluss zur Verfügung gestellt wird, nur mit mindestens 80 MHz Kanälen ausgereizt werden kann.

Ein Blick auf das aktuelle Spektrum ergibt jedoch, dass es im 2,4 GHz gar keinen 80 MHz Kanal gibt und im 5 GHz ein sehr zerfahrenes Bild herrscht. Ohne jegliche Einschränkung gibt es im 5 GHz nur einen 80 MHz Kanal über die Kanäle 36 – 48. Dies ist auch der Kanal, der von praktisch allen 5 GHz Geräten beherrscht wird. Darüber hinaus gibt es noch 3 weitere 80 MHz Kanäle, für die jedoch „Dynamic Frequency Selection“ (DFS) nötig ist. WLAN ist auf diesen Kanälen nur „Mitnutzer“ und muss den Kanal bei Anwesenheit von RADAR-Systemen freihalten. Durch diese Einschränkung gibt es einige Geräte, Access Points und Clients, die nur auf den DFS-freien Kanälen funktionieren.

Nach dem wir jetzt geklärt haben, dass wir neues Spektrum benötigten, stellt sich die nächste Frage:

Wie erhalten wir neues Spektrum?

Um neues Spektrum zu erhalten ist gibt es lokale und globale Ansätze. Im 6 GHz Band hat man die Hoffnung auf eine weltweite Öffnung für WLAN, daher hat man den langen, beschwerlichen Weg gewählt. Dieser geht, in einer vereinfachten Darstellung so:

  • Die International Telecommunication Union (ITU) legt fest welche Anwendungen auf welchen Frequenzbändern funken dürfen
  • Etwa alle 4 Jahre findet eine World Radio Conference (WRC) statt, bei der alle Nationen (ITU-Mitglieder) über die Zuweisungen verhandeln
  • Wenn Anwendungen neues Spektrum erhalten oder bestehende Regeln für das Spektrum geändert werden, dann sind die Regulierungsbehörden der Länder bzw. deren regionalen Gremien aufgefordert diese Regeländerungen nach Möglichkeit umzusetzen
  • In Europa gibt dann die europäische Kommission einen Auftrag zur Erforschung der Regeländerung an die CEPT (Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Fernmeldewesen)
  • Für WLAN ist die Unterabteilung CEPT/ECC – Committee für die elektronische Kommunikation – zuständig für technische Studien und daraus abgeleitet regulatorische Anforderungen
  • Auf der anderen Seite gibt es die ETSI – Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen – welches eine Norm herausgibt, mit der das CE Label für Produkte erlangt werden kann
  • Die ETSI ist eigenständig, arbeitet aber zusammen mit der CEPT, um die Anforderungen und Regeln der CEPT in prüfbare Normen zu gießen
  • Die europäischen Länder sind in der CEPT und ETSI durch ihre jeweiligen Netzagenturen (Deutschland: Bundesnetzagentur (BNetzA), Österreich: RTR, Schweiz: BAKOM) vertreten
  • Generell gilt innerhalb der Europäischen Union die folgende Aussage:

The European Commission can mandate the European Conference on Postal and Telecommunications (CEPT) to carry out studies and other preparatory activities to harmonise the use of the radio spectrum in Europe. The co-operative interaction of CEPT with Commission-led initiatives has been a key factor in the development of wireless technologies in Europe.

Source

Nun sind aber längst nicht alle europäischen Länder Teil der europäischen Union, die prominentesten Beispiele der nicht-EU-Länder sind Schweiz, Norwegen und Großbritannien. Diese Länder sind jedoch Teil der CEPT, wodurch ein einheitlicher, europäischer Markt weiterhin gewährleistet ist. Notiz am Rande: Die CEPT umfasst insgesamt 48 Länder, darunter auch die Türkei und Russland!

Es sollte jetzt eine grobe Vorstellung bestehen, wie wir neues Spektrum erhalten. Jetzt kommt die weitere interessante Frage:

Welches Spektrum erhalten wir? (noch in Verhandlung)

Das 6 GHz Band, welches auf ITU-Ebene für WLAN vorgesehen wird, reicht über 1.200 MHz. Es beginnt bei 5.925 MHz und endet bei 7.125 MHz. In Europa wird derzeit die Freigabe der unteren 500 MHz, also von 5.925 – 6.425 MHz verhandelt. Da zu den Bandnachbarn noch ein gewisser Abstand (insgesamt 20 MHz) zum Schutz eingehalten werden muss, stehen uns wahrscheinlich 480 MHz für WLAN-Kanäle zur Verfügung.

Bisher verfügen wir über folgende Bänder:

  • 2,4 GHz: mit max. 100mW (20 dBm) auf den Kanälen 1 – 13: 2.301 – 2.483 MHz (82 MHz)
  • 5 GHz: 5.170 – 5.875 MHz (nutzbar sind davon insgesamt 520 MHz)
    • 5 GHz Unterband-1 mit max. 200mW (23 dBm) auf den Kanälen 36 – 64: 5.170 – 5.330 MHz (160 MHz)
    • 5 GHz Unterband-2 mit max. 1000mW (30 dBm) auf den Kanälen 100 – 140: 5.490 – 5. 710 MHz (220 MHz)
    • 5 GHz Unterband-3 mit max. 25mW (14 dBm) auf den Kanälen 149 – 173: 5.735 – 5.875 MHz (140 MHz)

Ob und wann es in Europa Untersuchungen zu den restlichen 700 MHz zwischen 6.425 – 7.125 MHz kommt, ist derzeit ungewiss.

Welche Regeln gelten in diesem Spektrum? (noch in Verhandlung)

Nach aktuellen Stand wird es zwei unterschiedliche Gerätekategorien mit unterschiedlichen Anforderungen geben. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist dabei die Sendeleistung und die „Tragbarkeit“.

  • „Low Power Indoor“
    • Nur innerhalb von Gebäuden erlaubt
    • Hat Zugriff auf das volle 480 MHz Spektrum
    • Übertragungsleistung: max. 200mW (23 dBm) EIRP
    • Access Point:
      • Stromzufuhr muss über Kabel (AC/DC oder PoE) erfolgen
      • Batteriebetrieb ist verboten
      • Muss das Betriebsland ermitteln können
    • Client
      • Batteriebetrieb ist erlaubt
  • „Very Low Power Portable“
    • Darf drinnen und draußen genutzt werden
    • Spektrum wird in zwei Kategorien unterteilt:
      • A: 400 MHz (6.025 – 6.525 MHz)
      • B: 80 MHz (5.945 – 6.025 MHz)
    • Übertragungsleistung: max. 25mW (14 dBm) EIRP
    • Basierend auf den Spektrumkategorien gibt es zwei Arten von Geräten:
      • A:
        • Darf nur Spektrum A nutzen
        • Braucht keine Möglichkeit um das Betriebsland zu ermitteln
      • B:
        • Darf Spektrum A+B nutzen
        • Benötigt eine Möglichkeit das Betriebsland zu ermitteln
        • Muss jedoch berücksichtigen, dass Länder den Betrieb auf Spektrum B verbieten können

Die gewohnten WLAN-Installationen werden unter „Low Power Indoor“ fallen. Die Kategorie „Very Low Power Portable“ ist dagegen neu und zielt auf Gadgets wie VR/AR-Brillen, die z.B. über WLAN mit dem Smartphone verbunden sind. Wichtige Anmerkung hierbei ist, dass es anders als im 5 GHz kein DFS gibt!

Wann erhalten wir das neue Spektrum? (geplant)

Bedingt durch die Trennung zwischen EU und nicht-EU Ländern innerhalb der CEPT gibt es zwei Unterschiedliche Zeitrahmen.

  • EU-Länder sind dazu verpflichtet, nach der endgültigen Verabschiedung der Regeln innerhalb der CEPT und der Annahme durch die Europäische Kommission, die Regeln innerhalb von 6 Monaten in nationale Gesetze zu „gießen“
    • Frühester Start (voraussichtlich): März 2021
  • Nicht-EU-Länder können die Regeln dagegen innerhalb von 2 Jahren umsetzen, sie sind jedoch nicht dazu verpflichtet
    • Frühester Start (voraussichtlich): November 2020

Da jedes Land unterschiedliche Interessen und Bestandsinstallationen im 6 GHz hat, ist die Freigabe von Spektrum in Europa geprägt durch viele, intensive Verhandlungen. Dadurch ist man i.d.R. langsamer und auch kleinteiliger als z.B. die FCC für die USA, welche Regeln für  nur ein Land mit gerade einmal zwei Nachbarstaaten aufstellen muss.

Neben der Bereitstellung des Spektrums gibt es noch einen zweiten Punkt in der Zeitplanung, die CE-Zulassung der Geräte. Es wird erwartet, dass die ETSI noch dieses Jahr eine zertifizierbare Entwurfsnorm bereitstellt. Eine Entwurfsnorm erlaubt eine individuelle Freigabe eines Produkts, ein Prozess der mit hohen Kosten verbunden ist. Dies sichert Herstellern jedoch einen frühen Marktzugang. Sollte es im ersten Halbjahr 2021 eine finale Norm geben, so können alle Hersteller ihre Geräte mit einer kostengünstigen Selbsterklärung in den Markt bringen.

Der europäische Massenmarkt für WLAN im 6 GHz dürfte somit nicht vor Q2 2021 bevorstehen.

Welche Herausforderungen werden auftreten?

Das neue Frequenzband wird ähnlich dem 2.4 GHz & 5 GHz ein eigenständiges Funkmodul erhalten. So werden Access Points zukünftig drei statt zwei Funkmodule benötigen. Dies dürfte sich bei den Kosten, der Wärmeentwicklung und dem Strombedarf bemerkbar machen. Ebenso werden auch neue Antennen benötigt, die für das 6 GHz Band optimiert sind.

Wie die Hersteller mit diesen Herausforderungen umgehen, bleibt abzuwarten. Die Autoren gehen davon aus, dass die ersten 6 GHz fähigen Geräte dem High-End vorbehalten sein werden und die Masse weiterhin auf 2,4 & 5 GHz setzen wird. Lassen sich heutige IEEE 802.11ax bzw. Wi-Fi 6 Access Points noch limitiert mit 802.3af betreiben, ist schon jetzt 802.3at empfohlen. Bei einem weiteren Funkmodul ist davon auszugehen, dass mindestens 802.3at benötigt wird und sich 802.3bt empfiehlt.

Dies sind alles Parameter die eine Herausforderung darstellen und damit auch ein zusätzlich limitierender Faktor bei Umsetzung sind. Wir sind schon gespannt, wie die Hersteller von mobilen Endgeräten mit dieser Herausforderung umgehen werden. Hier geht es neben den Kosten nämlich auch um Faktoren wie die Baugröße und Batterielaufzeit.

Zusammenfassung

Spektrum

Innerhalb von Europa geht man aktuell davon aus, dass es einen Block 500 MHz (5.925 – 6.425 MHz) geben wird. Innerhalb dieses Spektrums stehen 480 MHz zur Verfügung.

Dies ergibt folgende Anzahl an überlappungsfreien Kanälen:

  • 24 x 20 MHz
  • 12 x 40 MHz
  • 6 x 80 MHz
  • 3 x 160 MHz

Diese 24 x 20 MHz Kanäle setzen kein DFS voraus! Im heutigen 5 GHz Band verfügen wir in den meisten Geräten über 4 DFS-freie und 15 DFS-behaftete 20 MHz Kanäle.

Die Sendeleistung wird auf 23 dBm/EIRP limitiert, was 3 dBm mehr sind als wir heute im 2.4 GHz Spektrum zur Verfügung haben und der Sendeleistung auf den 5 GHz Kanälen 36 – 64 entspricht.

Zeitplan

Es muss zwischen EU- und nicht-EU-Ländern unterschieden werden. Letztere müssen die Vorgaben nicht umsetzen.

  • Die „nicht-EU“-Ländern werden frühestens im November 2020 nach Annahme seitens der CEPT/ECC mit der Freigabe starten. Das Zeitfenster beträgt dafür 24 Monate.
  • Die „EU“-Länder hingegen müssen die neuen Regeln innerhalb von 6 Monaten nach Annahme seitens der Europäischen Kommission umsetzen. Wahrscheinlich startet das Zeitfenster im März 2021.

Der genaue Startzeitpunkt ist noch abhängig von der Verabschiedung der getroffenen Vereinbarungen.

CE-Zulassung

Im Bereich der Hersteller ist es so, dass die neuen Chips durch den Vorsprung der FCC schon verfügbar sind. Allerdings gibt es derzeit noch keine ETSI Norm, um das CE-Label und somit die europäische Freigabe für die Produkte zu erlangen.

Es gibt generell zwei Möglichkeiten Produkte für den Markt zuzulassen.

  • Auf Basis eines „stabilen Entwurfs“ der Norm: Ermöglicht es Herstellern ein Prüflabor zu finden, dass auf Basis des „stabilen Entwurfs“ das Produkt testet & freigibt. Dies ist sehr teuer, sichert aber einen frühen Marktstart mit verfügbaren Produkten.
  • Auf Basis der „finalen Version“ der Norm: Nach Verabschiedung der Norm seitens ETSI ermöglicht die Norm die Hersteller, die Produkte durch Selbsterklärungen in den Markt zu bringen. Dieser Prozess ist erst deutlich später möglich, dafür günstiger. Er wird für die breite Masse an Produkten genutzt.

Umsetzung

Auch wenn ab Q1 2021 erste Geräte auf den Markt kommen können, heißt dies nicht, dass wir die Produkte in allen Bereichen sehen werden. Anders als der Wechsel von Wi-Fi 5 (802.11ac) zu Wi-Fi 6 (802.11ax) handelt es sich nicht um ein einfaches Funkmodulupgrade. Es handelt sich bei Wi-Fi 6E bzw. 6 GHz um ein zusätzliches Funkmodul, ähnlich wie für 2.4 GHz & 5 GHz.

Zusätzliche Funkmodule sind mit zusätzlichen Kosten verbunden.

  • Es wird ein weiteres Funkmodul im Access Point benötigt
  • Es werden weitere Antennen für dieses Funkmodul benötigt
  • Es wird zusätzliche Energie für dieses Funkmodul benötigt

Diese und weitere Faktoren beeinflussen stark den Preis von neuen Geräte. Auch wenn dieses neue Spektrum viele positive Faktoren mit sich bringt, wird es sich preislich vermutlich deutlich wieder spiegeln. Es dürfte so kommen, dass die Hersteller die 6 GHz erstmal den Highend Access Points vorbehalten.

So bleibt abzuwarten, wann der Umbruch erfolgen wird. Noch heute setzten viele Hersteller und Anwender allein auf 2.4 GHz, trotz der technischen Vorteile von 5 GHz.

Wenn wir jetzt berücksichtige, dass das 5GHz Band seit Mitte 2002 von der CEPT für 802.11a „freigegeben“ ist, hat es sehr lange gedauert, dass sich dieses neue Spektrum durchgesetzt hat.

Persönlich sehe ich erste Installationen für 2021, allerdings wird es sich hier um einzelne kleinere Projekte handeln. Die Frage ist auch, wann werden die ersten Endgeräte erscheinen?

Wie geht es weiter?

Anfang Oktober findet das nächste Meeting statt. In diesem Meeting werden die Regeln für das Spektrum noch einmal diskutiert. Im Anschluss an dieses Meeting, werden wir diesen Eintrag aktualisieren.